EU-Dienstleistungspaket: Wirtschaftliche Interessen vor Patientenschutz?

In Deutschland stoßen Vorschläge der EU-Kommission, die nationalen Regelungen für Heilberufler stärker zu überprüfen, auf wenig Gegenliebe. Vertreter aus Medizin und Pharmazie sprachen sich dagegen aus, Patienteninteressen zu gefährden. Erfolg hatte ihr gemeinsames Vorgehen aber nicht.

Seit Jahren versucht die Europäische Union, Dienstleistungen zu harmonisieren. Davon waren Heilberufler bislang nicht betroffen. Mit dem geplanten EU-Dienstleistungspaket geraten staatliche Vorgaben für Gesundheitsberufe jetzt aber ins Visier der Kommission. Das geplante Paket sieht unter anderem Empfehlungen zur Prüfung neuer Berufsreglementierungen vor. Will Deutschland beispielsweise seine Approbationsordnung für Apotheker oder Ärzte ändern, ginge das nur noch mit dem Segen aus Brüssel. Jeder EU-Staat muss belegen, dass die Maßnahmen sinnvoll und verhältnismäßig sind. Im schlimmsten Fall könnte Brüssel bestimmte Regelungen sogar verhindern.

Gemeinsamer Widerstand aller Heilberufler

Die Standesorganisationen wehren sich in seltener Einigkeit gegen das geplante Dienstleistungspaket. Die ABDA hat gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Bundesärztekammer, der Bundeszahnärztekammer, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sowie der Bundes-Psychotherapeutenkammer alle Mitglieder im zuständigen EU-Ausschuss kontaktiert. Sie wollen erreichen, dass Ausnahmeregelungen im Gesundheitsbereich erhalten bleiben. Allgemeinwohl und Patientenschutz würden zu Gunsten rein wirtschaftlicher Interessen, also der Berufsausübung innerhalb der EU, geopfert, so die Kritik.

Kompromiss mit unklaren Folgen

Am 4. Dezember entschied sich der Binnenmarktausschuss im Europäischen Parlament trotzdem gegen eine generelle Ausnahme für Heilberufler. Einzelstaatliche Regelungen werden früher oder später einer Prüfung ihrer Verhältnismäßigkeit unterzogen. Als Kompromiss ist von „Besonderheiten der Gesundheitsberufe“ die Rede. Unter Umständen seien „andere Maßstäbe anzulegen“, heißt es weiter. Details zu diesen vergleichsweise schwammigen Formulierungen gibt es nicht.

Rx-Versandverbot: Arbeitsplatzverluste verhindern!

Nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 ringen die Parteien in Deutschland immer noch um eine neue Regierung. Die Apothekenangestellten warten dringend auf eine politische Weichenstellung. Ihre Sorge: Rx-Boni vernichten Arbeitsplätze. Nur ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel könnte aus Sicht der Berufspolitik dieser Gefahr entgegenwirken.

Kurz nach Schließung der Wahllokale zeigte sich, wie schwierig eine Regierungsbildung wird. Zwar konnten CDU/CSU als stärkste Kraft 246 aller 709 Sitze im neuen Bundestag für sich gewinnen. Zur Regierungsbildung benötigt die Union aber einen Koalitionspartner. Die SPD (153 Sitze) machte noch am Wahlabend klar, in die Opposition gehen zu wollen. Gespräche mit der FDP (80 Sitze) und den Grünen (67 Sitze) scheiterten, denn die Liberalen entschieden sich letztlich gegen eine sogenannte „Jamaika-Koalition“.

„Dass die Wählerinnen und Wähler viel Verständnis dafür haben, wenn gewählte Politiker die Verantwortung für das Land aus parteitaktischen Gründen nicht tragen wollen, glaube ich nicht“, kommentierte ADEXAs Erster Vorsitzender Andreas May. „Für den Apothekenbereich und die Mitarbeiter bedeutet das Scheitern der Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen ein weiteres berufs- und tarifpolitisches Fragezeichen – neben den ausstehenden offiziellen Ergebnissen des Honorierungsgutachtens und den Folgen des EuGH-Urteils.“

Solange Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) weiter die Amtsgeschäfte führt, ist eine gewisse Kontinuität zu erwarten. Weite Teile der Union stehen hinter seiner Gesetzesinitiative, den Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Dies ist aus Sicht von ADEXA und den Apothekerorganisationen durch das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 nötig geworden. Damals hatten Richter entschieden, dass für Versandapotheken aus dem EU-Ausland die deutsche Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nicht gilt. Das heißt, Versender können selbst entscheiden, zu welchen Kosten sie Präparate abgeben. ADEXA befürchtet einen ruinösen Wettbewerb, der sich nur noch an ökonomischen Aspekten orientiert, die Qualität aber außen vorlässt.

Etablierte Versorgungsstrukturen nicht gefährden

Mögliche Folgen zeigen sich bereits heute. Die Apothekenzahl in Deutschland erreichte Mitte 2017 mit nur noch 19.880 Betriebsstätten den niedrigsten Stand seit 1988. „Dadurch verschlechtert sich die Versorgung der Bevölkerung und Arbeitsplätze werden vernichtet“, erklärt May.

ADEXA blickt mit Sorgen auf die Regierungsbildung. Teile der SPD, der Grünen und der FDP lehnen es ab, den Versand mit verschreibungspflichtigen Pharmaka zu regulieren. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob es doch noch eine Neuauflage der großen Koalition aus Union und SPD gibt, eine unionsgeführte Minderheitsregierung kommt oder ob Neuwahlen ins Haus stehen.

Tarifrückblick und -ausblick: Neue Gehaltstarife 2017 und 2018

Die ADEXA-Tarifkommission hat 2017 zwei neue Gehaltstarifverträge abgeschlossen:

  • Für 15 der insgesamt 17 Kammerbezirke wurde zum 1. Juni 2017 eine Gehaltserhöhung von 2,5 % für alle Apothekenberufe und alle Berufsjahresgruppen einschließlich der Ausbildungsvergütungen vereinbart. Die Laufzeit des Vertrages beträgt zwölf Monate.
  • Im Dezember gab es außerdem einen Abschluss für den Kammerbezirk Nordrhein, der zum 1. Januar 2018 in Kraft tritt. Hier beträgt die Erhöhung im Durchschnitt 3 %, ist aber nicht linear. Eine neue Eingruppierung ab dem 10. Berufsjahr lässt besonders die erfahrenen, langjährigen Mitarbeiter profitieren. Die Ausbildungsvergütungen werden an den Stand des übrigen Bundesgebietes angepasst. Eine Steigerung gibt es außerdem beim Bereitschaftsdienst bis 22 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen für alle notdienstberechtigten Apothekenberufe.
  • Für den Kammerbezirk  Sachsen, der seit vielen Jahren ohne gültigen Tarifvertrag ist, haben 2017 mehrere Gespräche stattgefunden. 2018 wollen ADEXA und der Sächsische Arbeitgeberverband ein eigenständiges Tarifmodell erarbeiten.
  • Für 2018 will die ADEXA-Tarifkommission außerdem eine tarifliche Eingruppierung für die angestellten Filialapothekenleiter erreichen. Ende 2016 gab es in Deutschland 4.416 Filialapotheken, die von angestellten Apothekerinnen und Apothekern geleitet werden.
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